Neue Wege gehen – auch mit Möglichkeiten der Wirtschaftsförderung - für die bestmögliche medizinisch- pflegerische Versorgung der Menschen in Bremen-Nord und dem niedersächsischen Umland

Die Gesundheitsversorgung in ganz Deutschland, in all ihren Sektoren, steht vor enormen Herausforderungen. Die nächsten Jahre werden eine Entwicklung hervorbringen, wie sie in der Geschichte unserer Republik noch nicht vorkam:
Wir Menschen werden immer älter und der Bedarf an medizinscher und pflegerischer Versorgung steigt immens. Zeitgleich gehen die sogenannten „Babyboomer“, die geburtenstarken Jahrgänge, in den nächsten 5-10 Jahren in Rente bzw. in Pension. Hinzu kommt, dass durch die Corona-Pandemie eine nie gekannte Berufsflucht begonnen hat. Wer es sich wirtschaftlich leisten kann, der reduziert seine Wochenstundenzahl, geht früher in Rente oder sogar ganz heraus aus den Job.

Parallel hierzu gibt es einen enormen politischen Handlungsdruck für Reformen im Gesundheitswesen. Auf Bundesebene ist für Sommer 2023 eine Gesetzesvorlage für eine weitreichende Krankenhausreform angekündigt. Die Grundzüge hierfür wurden im Dezember 2022 vorgestellt. Auf Landesebene wurde ein Gutachten zur „Krankenhauslandschaft Bremen 2030“ vorgestellt. Es gilt, die Krankenhäuser fit zu machen für die Zukunft, Mehrfachvorhaltungen abzubauen, Spezialisierungen voranzutreiben, die Finanzierung neu zu gestalten. 

Weiterer Handlungsdruck besteht im Bereich der Hausärztlichen Versorgung: In Bremen, übrigens einziges Bundesland ohne eigene Mediziner-Ausbildung, ist das Durchschnittsalter der niedergelassenen Ärzte am höchsten, ebenso der Anteil der aktuell praktizierenden Ärzte m Alter von über 65 Jahren. Die Auswirkungen sind längst schon in der Region Bremen-Nord zu spüren, viele arztsuchende Bürgerinnen und Bürger finden schlicht keinen Hausarzt.

Großer Handlungsdruck besteht auch im gesamten Bereich der Pflege: Wer einen Heimplatz sucht, sowohl für die Langzeit- als auch für die Kurzzeitpflege, findet nur noch selten ein bedarfsgerechtes Angebot. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, u.a. schlägt der Fachkräftemangel hier unerbittlich zu. Trotz bestehenden Angebots und Nachfrage führen das Fehl von Fachkräften zur Einschränkung oder gar Streichung von notwendigen Angeboten.

Deshalb fordern wir vom (künftigen) Senat der Freien Hansestadt Bremen:

1. Das Klinikum Bremen-Nord im Zuge der anstehenden Reformen weiterentwickeln zum „Smart Hospital“. 

Das Klinikum Bremen-Nord (KBN) darf nicht „degradiert“ werden zum „Liegebetten-Krankenhaus“ der untersten Stufe.

Das KBN soll vielmehr ein „steuernder Akteur“ der gesamten Gesundheitsversorgung der Region Bremen-Nord werden. Durch die bevorstehenden Neustrukturierungen einhergehend mit Ambulantisierung von bisherigen Krankenhausleistungen, Digitalisierung nicht nur klinikinterner Prozesse sondern „Digitalisierung rund um den Patienten“ besteht die große Chance, für alle Akteure der Gesundheitsversorgung mehrere sogenannte „win-win-Situationen“ zum Erfolg zu führen, u.a.:

  • Zielgerichtete Versorgung, Vermeidung von Fehlversorgung
  • Informationsfluss ohne Verluste, sowohl bei Klinikeinweisung all auch Klinikentlassung
  • Informationsfluss der Leistungserbringer untereinander/ mit den Patienten in schnellerer Zeit, mit geringerem Organisationsaufwand
  • Attraktivitätssteigerung aller Berufe im Gesundheitswesen  
  • Die Einführung von elektronischer Patientenakte und elektronischem Rezept werden die Digitalisierungsprozesse einleiten und aufzeigen, welch großes Potenzial für die Optimierung aller Prozesse im Gesundheitswesen bestehen. Das Klinikum Nord kann hier zum federführenden und sektorenübergreifenden Leistungserbringer weiterentwickelt werden.   

 2. Die Hausärztliche Versorgung wohnortnah sicherstellen – auch durch neue Wege der Wirtschaftsförderung

Um freiwerdende Hausarztpraxen wiederzubesetzen oder im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten sogenannte Medizinische Versorgungszentren zu fördern, wo sich Ärzte in Teilzeit-Anstellung niederlassen können, müssen auch Instrumente der Wirtschaftsförderung genutzt werden. Immer mehr Kommunen sehen das große Potenzial der Gesundheitswirtschaft, innerhalb derer die Rolle der klassischen Hausärzte neu zu definieren ist. Die neue Generation der Medizinerinnen und Mediziner ist vor allem weiblich, möchte überwiegend im Angestellten-Verhältnis arbeiten, überwiegend Teilzeit statt Vollzeit arbeiten. Angebote der Kita- und Schulversorgung, Kultur- und Sportangebote sowie die Möglichkeiten, mit der modernsten Medizin-Ausstattung arbeiten zu können, sind weitere Standortfaktoren. 

Durch die Ambulantisierung von immer mehr Krankenhausleistungen werden ärztliche Ressourcen „frei“, die für den niedergelassenen Bereich sinnvoll genutzt werden können.

Durch neue Studiengänge wie dem „Physician Assistant“ an der Hochschule im benachbarten Bremerhaven werden in wenigen Jahren neue medizinisch ausgebildete Fachkräfte für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen. 

Wir fordern daher

  • Sektorenübergreifende Bedarfsplanung und Versorgung. Hierzu müssen die gesetzlichen Möglichkeiten nach SGB V ausgenutzt werden. Im sogenannten „Landesgremium“ nach §90 können Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte -organisiert durch die Kassenärztliche Vereinigung - mit der zuständigen Landesgesundheitsbehörde wirksam zusammenarbeiten.
  • Instrumente der Wirtschaftsförderung zur Ansiedlung von niedergelassenen Ärzten und zur Begleitung der anstehenden Transformationsprozesse einsetzen.
  • Stipendienprogramme einsetzen, um junge Medizinerinnen und Mediziner zu gewinnen.
 
3.     Das Angebot an Pflegeplätzen in Bremen-Nord ambulant und stationär ausbauen!

In Bremen-Nord fehlt es nachweislich an Plätzen zur Langzeit- und zur Kurzzeitpflege. Es gilt, Maßnahmen zu ergreifen, um den Fachkräftemangel zu beseitigen, sodass momentan die baulich zur Verfügung stehenden Plätze wieder genutzt werden können. Eine bedarfsgerechte Versorgung bedeutet jedoch auch, den Bedarf der nächsten Generation zu definieren und rechtzeitig die notwendigen Weichen zu stellen. Große Pflegeheime mit langen Fluren und nur eingeschränkter Außennutzung werden der Vergangenheit angehören. Die jetzt 50-70-jährigen Bürgerinnen und Bürger werden andere Betreuungs- und Wohnformen nachfragen. Neue Wege gehen heißt auch in diesem Sektor, rechtzeitig die Weichen zu stellen für eine gelingende Versorgung.

Dem besonderen Problem der Kurzzeitpflege muss schnellstmöglich Rechnung getragen werden. Insbesondere Pflegende Angehörige brauchen für ihre anvertrauten Pflegebedürftigen zur Entlastung die Verlässlichkeit, mindestens einmal im Jahr „in Urlaub“ gehen zu können, um sich zu erholen und Kraft zu tanken für die enormen Herausforderungen, die innerfamiliäre Pflege mit sich bringt.

Wir fordern daher

  • Neue Wege gehen bei der Planung von Pflegeeinrichtungen. Generationenübergreifende Wohnparks bis hin zur Unterstützung von ambulanten Wohngemeinschaften. Ältere pflegebedürftige Menschen mit jungen Menschen in Ausbildung und Studium in neuen Wohnformen zusammenbringen. Dabei auch Instrumente der Wirtschaftsförderung nutzen.
  • Kurzzeit-Pflegeplätze sofort erhöhen: Hierzu Anreize schaffen, ebenfalls mit Instrumenten der Wirtschaftsförderung. Neue Wege gehen heißt in diesem Sektor, bisherige Tabus zu brechen: Kurzzeitpflegeplätze sollten auch inkludiert angeboten werden können in Einrichtungen, wo die nachgefragten Leistungen tatsächlich geleistet werden können.
  • Digitalisierung kann bei der Suche und zielgerichteten Versorgung auch hier helfen: Eine „Pflegeplatz-Finder-App“ wie in NRW seit Jahren erfolgreich praktiziert, senkt den Organisationsaufwand für alle Beteiligten erheblich.